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Rheinisch lebhaft und bilderreich referierte Marktforscher Dr. Johannes Simons über das Spannungsverhältnis der Verbraucher zur Landwirtschaft.

Spannung im Verhältnis

Erntedankempfang Rhein-Kreis Neuss und Mönchengladbach

Was im Land oder im Bund nicht mehr so richtig funktioniert, auf kommunaler und Kreisebene scheint es noch intakt zu sein, das Verhältnis von Politik und Gesellschaft zur Landwirtschaft. Jedenfalls konnte vergangene Woche Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach, viele Vertreter aus Kommunal-, Kreis- und Landespolitk sowie Verwaltung und Kirche zum Erntedankempfang im Kulturzentrum Sinsteden begrüßen. Neben seinem Dank für die Zusammenarbeit im zurückliegenden Jahr richtete er an sie aber auch den Appell, im Zuge des Ausstiegs aus der Braunkohle die Landwirtschaft nicht zu vergessen, auch sie benötige Unterstützung. Mit Blick auf die Demonstration vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium erläuterte Wappenschmidt, dass die Landwirte viele Fragen hätten; eine davon sei, warum man in Nordrhein-Westfalen den bisherigen erfolgreichen Weg des kooperativen Wasserschutzes verlassen wolle. Die Landwirtschaft sei bereit für Veränderungen, aber dafür dürfe man ihr nicht die Luft abdrücken.

Keine Ahnung, aber eine Meinung

Mit einem Grund, warum Politik so handelt, wie sie handelt, befasste sich Dr. Johannes Simons von der Universität Bonn im Festvortrag: den Verbrauchern. Der Marktforscher ging dabei den Ursachen für ihr oft widersprüchliches Verhalten und ihre vermeintliche Unzugänglichkeit für Fakten und Sachargumente nach. Dabei käme der augenblickliche Druck nicht nur von der Politik, sondern auch vom Lebensmittelhandel. Der wiederum berufe sich allerdings auch auf die Verbraucher. Trotzdem riet Simons davon ab, Verbraucher-Bashing zu betreiben, sondern plädierte dafür, Verständnis fürei­nan­der zu entwickeln. „Wenn man andere besser versteht, kann man besser mitei­nan­der kommunizieren“, sagte er. Jeder Mensch habe eine Meinung zu unzähligen Dingen, von denen er kaum etwas verstehen würde. Als Beispiel führte er eine Umfrage zum Tierwohl an. Dabei hätte die Mehrheit zugegeben, wenig oder keine Ahnung davon zu haben, wie Tiere heute gehalten werden; trotzdem hätte eine Mehrheit auch der Aussage zugestimmt, dass die Haltungsbedingungen verbessert werden müssten. Das Phänomen „keine Ahnung, aber eine Meinung“ sei auch bei anderen Themen der Landwirtschaft zu finden, etwa bei Glyphosat oder Gentechnik.

Vertrauen ist das A und O

Simons zeigte auch die Kehrseite auf. Wer wenig wisse, müsse anderen glauben. Und das sei immer der, dem man am meisten vertraut. Das gelte auch beim Essen. Menschen seien „faszinierend widersprüchlich“, aber genau dieser Umstand würde dafür sorgen, dass sie auch alltagstauglich sind. Gemeint ist damit, dass der Mensch etwa beim Einkaufen an nicht zu viele Dinge denken will, ein Zuviel an Information überfordere ihn mitunter. Gerne würde der Mensch als Verbraucher daher dazu neigen, Sachverhalte auszublenden. Wo er sich selbst nicht genug auskennt, verlässt er sich dann lieber auf die Einschätzungen anderer, denen er vertraut.

Dafür zu sorgen, dass Verbraucher mit gutem Gefühl und gutem Gewissen einkaufen können, ist laut Simons eine Strategie, mit der die Discount-Händler um die Gunst der Verbraucher werben. Besondere Kriterien für Lebensmittel, etwa Tierwohlstandards oder Verzicht auf gentechnisch erzeugte Zutaten, sollen für Abgrenzung vom Wettbewerb sorgen. Außerdem fürchteten die Händler Imageschäden und Umsatzeinbußen aufgrund von Aktionen von NGOs, die sich gegen Produkte in ihren Läden richten, und so Kunden abschrecken. Der Mechanismus funktioniere auf vielen anderen gesättigten Märkten genauso. Als Beispiel verwies Simons auf den von Greenpeace initiierten Boykott der Tankstellenkette BP in den 1990er-Jahren. Damals wollte der Ölkonzern eine Plattform im Meer versenken und wurde so zur Zielscheibe von Greenpeace.

Simons räumte ein, dass er der Landwirtschaft keine Strategie empfehlen könne. Einen Rat gab er den Zuhörern allerdings mit: Immer mal wieder die Perspektive zu wechseln, um die Verbraucher besser zu verstehen. Wenn es mal Krach zu Hause geben würde, könne es zwar auch eine Strategie sein, sich in die nächste Kneipe zu verziehen und so Konflikten aus dem Weg zu gehen. Besser wäre es aber sicher, Wege vorzuschlagen, wie man den Konflikt auch lösen könnte.